Benjamin Zanon – Ausstellung im Kunstraum Innsbruck

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Renovierung im Kunstraum Innsbruck

Mit o. UT. (ausgeschrieben: ohne Untertitel) betitelt der Osttiroler Künstler Benjamin Zanon (geb. 1981, lebt und arbeitet in Innsbruck) seine Einzelausstellung im Kunstraum Innsbruck. Die spezifische Abkürzung o. UT. findet sich üblicherweise im Filmgenre, nicht in der Kunst, aber in diesem Fall kommentiert der Ausstellungstitel nicht sprichwörtlich den fehlenden Untertitel, sondern verweist direkt auf die künstlerische Praxis Zanons, der der Zeichnung jegliche Gegenständlichkeit und Narration zu entziehen versucht. Den Zeichnungen, die zu mentalen Landschaften und Gedankenräumen des Künstlers werden, wohnt eine Poesie der Fragilität und Endlichkeit inne. Zanon übersetzt seinen subjektiven und emotionalen Erlebnisraum in eine in sich geschlossene Zeichensprache, die den Mechanismen eines sich selbst generierenden Codes entspricht, um im Sinne der stetig mäandernden Zeichnung eine fortlaufende Übersetzung von Gegenwart in Zeichensprache zu initiieren. Auch wenn der Zeichnung ein emotionales Befinden vorangestellt ist, entkoppelt sich die Zeichnung von der gegenständlichen Darstellung dieses Erlebniszusammenhangs.

Am besten nachvollziehbar machen dies die beiden Arbeiten im Studio. In der Vitrine ist eine Auswahl der Zeichnungen zu sehen, die Benjamin Zanon für die linken Seiten im Quart Heft für Kultur Tirol entwickelt hat (Gurschler 1-5, Schuchter 1-5, Brenner 1-5). Er zählte auf jeder Textseite (die im Heft rechts zu finden sind) die Buchstaben und übersetzte jeden Buchstaben in ein Symbol, um dann wiederum die Anzahl des jeweiligen Buchstabens als Symbol auf dem Zeichenblatt wiederzugeben. In komplexer Verdichtung entstand eine individuelle Übersetzung des jeweiligen Texts in die Zeichensprache des Künstlers. Jener Zugang zur Übersetzung von Wahrnehmung und Realität ist ein wesentlicher Baustein, der Zanon vom Anbeginn seiner Arbeit an begleitet hat und ihn vergleichbar zu einem Flaneur durch den Stadt- und Naturraum wandern ließ, um seine Aufzeichnungen zu komplexen Zeichnungsprozessen werden zu lassen. Den Anfang dieser Praxis dokumentiert ebenfalls die große Papierarbeit im kleineren Ausstellungsraum, die 2014 noch während seines Studiums an der Kunstakademie in Düsseldorf in der Klasse von Richard Deacon entstand. Sie zeigt eine komplette Aufschrift in Spiegelschrift der Erinnerungen an einen Ort in Osttirol, an dem die Familie immer gemeinsam die Ferien verbrachte. Jeder Gedanke wurde abwechselnd mit rotem und blauem Kugelschreiber notiert. Das Ausbleichen der Kugelschreiberschrift entspricht für Zanon dem Verblassen seiner Erinnerung.
Im Hauptraum finden sich drei, eigens für die Ausstellung entstandene Zeichnungsserien, die jenes protokollarische Aufzeichnen von Erinnerungen vorzeigen. Auch hier sind es wieder die Erinnerungen an die Familie, die impulsgebend für die Serien waren. Die großformatigen Zeichnungen mit den Titeln 7s1 (fiebern), 7s2 (glätten), 7s3 (steigen), 7s4 (kümmern), 7s5 (ahnen), 7s6 (scheinen) und 7s7 (schleichen) (Anm.: s steht für Serie) geben persönliche Erinnerungen des Künstlers an die Kindheit wieder, wie auch die 6-teilige Zeichnungsgruppe 6s1 M/O, 6s2 B/O, 6s3 S/B, 6s4 N/I, 6s5 K/T und 6s6 P/C ein Porträt der Familie darstellt und die kleinformatigen Zeichnung jeweils Porträts von Personen wiedergeben, die dem Künstler nahe stehen, ohne dass es relevant ist zu wissen, wem das jeweilige Porträt zugeschrieben ist. Ein weiterer Verweis auf die Familie wohnt den beiden Lindenholzskulpturen inne, da sie aus dem Holz geschnitzt sind, das der Vater und Schriftsteller Christoph Zanon (1951–1997) noch zu Lebzeiten bearbeitete, aber nicht fertigstellte. In diesem Sinne findet auch am 01.12.2017, anlässlich des zwanzigsten Todestags des Vaters, eine Lesung im Kunstraum Innsbruck statt, bei der die Geschwister des Künstlers ausgewählte Textpassagen des Vaters vortragen.

Karin Pernegger, Kuratorin der Ausstellung, Kunstraum Innsbruck

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