Migrationsforschung als Kritik? Teil 07 – Panel B2

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Migrationsforschung als Kritik?
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Tagung des Instituts für Erziehungswissenschaft der Leopold-Franzens-Universität Innsbruck ‚Migrationsforschung als Kritik? Ansprüche, Praxen, Reflexionen‘ am 9. und 10.12.2010 im Congress Innsbruck.

Audio-Dokumentation: Freies Radio Innsbruck – FREIRAD 105.9. (Sorry für die z. T. schlechte Qualität. Die Ursache ist das Mikro, nicht die Aufnahme)

Erfordernisse, Möglichkeiten und Grenzen der Kritik politischer Praxen

Teil 07 – Panel B2: Assimina Gouma, Gerhart Hetfleisch, Ulrike Selma Ofner

Moderation: Paul Mecheril

Assima Gouma: Integration und das Lernen von „oben“

Die Intimität von Wissenschaft und Migrationspolitik führt einerseits dazu, dass Forschung dazu beiträgt, Kritik an politischen Praktiken in nationale und neoliberale Gerechtigkeitskriterien zu übersetzen. Andererseits sieht Wissenschaft ihre Aufgabe in der „Versachlichung“ der Diskussion, wofür sie zahlreiches Datenmaterial produziert und verfügbar macht. Damit setzt sich das Lernen von „unten“ als hegemoniale Herrschaftskompetenz fort. Am Beispiel des Integrationsimperativs lassen sich die politischen Dynamiken dieser Kompetenz deutlich erkennen. Kritische Migrationsforschung setzt an, indem sie die Gewalt von Herrschaftsstrukturen sichtbar bzw. das Lernen von „oben“ zugänglich für die Kämpfe der Migration macht. Dabei geht es um soziale Realität abseits von vorgegebenen nationalen bzw. staatlichen Rahmen. In unserem Statement wollen wir anhand des dominanten Integrationsparadigmas Grenzen und Spielräume kritischer Migrationsforschung kontrastieren.

Ab ca. 34:45

Gerhard Hetfleisch: Migrationsforschung als Apologie herrschender Verhältnisse am Beispiel Hartmut Essers

Die dramatische Wirtschaftskrise heute ist auch eine Folge jahrzehnetlanger neoliberaler Politiken, für die ein Teil des Wissenschaftsbetriebes bis heute theoretische Grundlagenarbeit leistet. Davon ist die Migrationsforschung nicht ausgenommen: In der deutschsprachigen Migrations- und Integrationsforschung hat Hartmut Esser eine prominente Sonderstellung. Seine Theorien seien neben Hoffmann-Nowotnys Theorien die tragfähigsten im deutschsprachigen Raum (Han 2005: 49). Esser hat einen nicht zu unterschätzenden Einfluss auf den wissenschaftlichen und politischen Diskurs im deutschsprachigen Raum, so etwa auf die Studie „Integrationsindikatoren des Nationalen Aktionsplans für Integration“ von Heinz Fassmann. Grundlage der Analyse sind zwei Schriften Essers: Das Gutachten „Integration und ethnische Schichtung“ aus dem Jahr 2001und die 2006 publizierte Studie „Sprache und Integration. Die sozialen Bedingungen und Folgen des Spracherwerbs von Migranten“. Die Analyse dieser Schriften kommt zum Schluss, dass Esser in einem Konglomerat von Privatideologemen, wissenschaftsideologischen Theoremen und naturalisierten ökonomischen Kategorien eine moderne Ungleichheitsideologie kreiert, die den ideologischen Anforderungen des herrschenden High-Tech-Kapitalismus gerecht wird, ökonomistisch und kulturalistisch ist, die deutliches Potenzial zu einem modernen, neoliberal geprägten, funktional-differenzierten Rassismus aufweist.

Ab ca. 54:17

Ulrike Selma Ofner: Rekonstruktion kritikwürdiger Rahmenbedingungen für Migrierte durch Anwendung der dokumentarischen Methode

Am Beispiel der ländervergleichenden Studie “Kulturelles Kapital in der Migration” wird dargelegt, inwieweit durch die Anwendung der dokumentarischen Methode legale Exklusionsmechanismen und symbolische Exklusion rekonstruiert werden können (Auswirkungen aufenthalts- und arbeitsrechtlicher Restriktionen, verschiedenen Formen von Marginalisierung und Diskriminierung auf Behörden, im Berufsfeld und Alltag, etc.). Als ein Ergbnis zeigt sich, wie unattraktiv Deutschland für hochqualifizierte Migrationswillige ist. Lediglich implizit kommt (durch das Aufzeigen der Probleme von AkademikerInnen mit Migrationshintergrund) u.a. zum Vorschein, wie schwierig die Situation für MigrantInnen mit niedrigem Bildungsniveau ist.

Die Studie war nicht als “kritische Migrationsforschung” angelegt. Aber durch Distanzierung von ethnisierenden bzw. kulturalisierenden Kategorien, wie sie in Politik und Medien verwendet werden und die Anwendung des Bourdieuschen Kapitalsorten-Ansatzes ist eine Haltung impliziert, die sich vom dominanten Integrationsparadigma unterscheidet. Inwiefern die Untersuchungsergebnisse und allein schon die Thematik (Hochqualifizierte MigrantInnen) als kompatibel mit zentralen Paradigmen des neokapitalistischen Diskursen eingesetzt werden können, steht zur Debatte.

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Die Tagung ‚Migrationsforschung als Kritik? Ansprüche, Praxen, Reflexionen‘ fragt nach Möglichkeiten und Grenzen kritischer Migrationsforschung, nach Methoden und Methodologie, nach dem Verhältnis von Migrationsforschung und Politik sowie nach dem politischen und epistemischen Anspruch kritischer Migrationsforschung. Die Tagung thematisiert die unterschiedlichen Spannungsfelder, in denen sich Migrationsforschung bewegt. Welches Verhältnis hat Migrationsforschung zum Ansatz und der Idee von Kritik? Welche Ansprüche, Praxen und Reflexionen sind bei einer sich kritisch verstehenden Migrationsforschung sinnvoll, üblich und angemessen?

Die durch Plenarvorträge sukzessiv eröffneten Diskussionen zu den Themenfeldern werden anschließend jeweils durch Sessions mit thematischen Kurzstatements von TeilnehmerInnen bereichert, fokussiert und ergänzt.

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