04 – Irene Berkel (Innsbruck) Die Neuvermessung der Kindheit in der psychoanalytischen Klinik und Theorie

Podcast
Medikalisierte Kindheiten – Die neue Sorge um das Kind vom ausgehenden 19. bis ins späte 20. Jahrhundert
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    28:34
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27:09 Min.
01 - Eröffnung der Tagung Medikalisierte Kindheiten
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28:52 Min.
02 - Maria A. Wolf (Innsbruck) Medikalisierung der Sozialen Frage und wissenschaftliche Neuordnung der Kindheit
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21:39 Min.
03 - Kristina Schierbaum (Frankfurt) Janusz Korczak im Spannungsfeld von Pädiatrie und Pädagogik
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30:38 Min.
05 - Klara Meßner und Rodolfo Tomasi (Bozen) Nach zwei Diktaturen zur Demokratie Erwachsenen-, Kinder-Jugendpsychiatrie in Südtirol
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34:18 Min.
06 - Elisabeth Dietrich-Daum (Innsbruck) Die Innsbrucker Kinderbeobachtungsstation von Maria Nowak-Vogl (1947–1987). Projektbericht
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17:31 Min.
07 - Mirjam Janett (Basel) Die „behördliche Sorge“ um das Kind. Kindswegnahmen in Basel von 1945 bis 1972
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17:26 Min.
08 - Keber Katharina (Ljubljana) Post WWI children healthcare in Central Slovenia as experienced by Angela Boškin, the first Slovenian home care nurse
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39:43 Min.
09 - Christine Hartig und Sylvelyn Hähner-Rombach (Ulm und Stuttgart) Institution, Zeitzeugen, Narration. Re-Konstruktionen der Innsbrucker Kinderbeobachtungsstation
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27:28 Min.
10 - Elisabeth Malleier (Wien) Die Sorge, meine Akte und ich

Die Neuvermessung der Kindheit in der psychoanalytischen Klinik und Theorie.
Irene Berkel (Innsbruck)

In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhundert wuchs im Zuge der biowissenschaftlichen Fortschritte das Interesse an Reproduktion und Sexualität, an nicht-reproduktiven Formen von Sexualität und am Inzesttabu. Die Entdeckung der infantilen Sexualität durch Freud, den Begründer der Wissenschaft vom Unbewussten, galt als revolutionär, da sie sich gegen die romantische Vorstellung von der Unschuld des Kindes wandte. Bis zu Freud galt sexuelles, sogenanntes frühreifes Verhalten entweder als Manifestation einer sexuellen Verführung oder der Proletarisierung im Rahmen der Industrialisierung. Freuds Entdeckung der Bedeutung der infantilen Sexualität für die Subjektkonstitution war das Resultat klinischer Erfahrungen und erfolgte historisch an der Schwelle, da das Allianzdispositiv seine ökonomische wie politische Bedeutung einbüßte und das Sexualitätsdispositiv die bürgerliche Familie besetzte (Foucault). Freud bringt die infantile psychosexuelle Entwicklung des Kindes in ein Verhältnis zur Anerkennung des Inzesttabus (Ödipuskomplex). Die Leiden der Neurotiker sind auf infantile Konflikte zurückzuführen, die in den Symptomen als Verdrängtes wiederkehren, weshalb den NeurotikerInnen die Einnahme ihrer symbolischen Position im Tableau der Generationen misslingt. In Abgrenzung zu C.G. Jung und Alfred Adler konzeptualisiert, dogmatisiert Freud den Ödipuskomplex zum Schibboleth der ‚wahren‘ Psychoanalyse und verleiht ihm jene Normativität, von der sich die Psychoanalyse bis heute nur schwer befreien kann. Der Vortrag diskutiert die Entdeckung der infantilen Sexualität im Rahmen einer Dialektik von Ent- und Remythologisierung sowie von Befreiung und Zwang.

Moderation: Alfred Weiss, Salzburg

 

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