22 – Ina Friedmann (Innsbruck) Die Verabreichung des Hormonpräparates Epiphysan (1952-1980) durch Maria Nowak-Vogl

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Medikalisierte Kindheiten – Die neue Sorge um das Kind vom ausgehenden 19. bis ins späte 20. Jahrhundert
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    22:03
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27:09 Min.
01 - Eröffnung der Tagung Medikalisierte Kindheiten
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28:52 Min.
02 - Maria A. Wolf (Innsbruck) Medikalisierung der Sozialen Frage und wissenschaftliche Neuordnung der Kindheit
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21:39 Min.
03 - Kristina Schierbaum (Frankfurt) Janusz Korczak im Spannungsfeld von Pädiatrie und Pädagogik
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28:34 Min.
04 - Irene Berkel (Innsbruck) Die Neuvermessung der Kindheit in der psychoanalytischen Klinik und Theorie
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30:38 Min.
05 - Klara Meßner und Rodolfo Tomasi (Bozen) Nach zwei Diktaturen zur Demokratie Erwachsenen-, Kinder-Jugendpsychiatrie in Südtirol
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34:18 Min.
06 - Elisabeth Dietrich-Daum (Innsbruck) Die Innsbrucker Kinderbeobachtungsstation von Maria Nowak-Vogl (1947–1987). Projektbericht
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17:31 Min.
07 - Mirjam Janett (Basel) Die „behördliche Sorge“ um das Kind. Kindswegnahmen in Basel von 1945 bis 1972
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17:26 Min.
08 - Keber Katharina (Ljubljana) Post WWI children healthcare in Central Slovenia as experienced by Angela Boškin, the first Slovenian home care nurse
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39:43 Min.
09 - Christine Hartig und Sylvelyn Hähner-Rombach (Ulm und Stuttgart) Institution, Zeitzeugen, Narration. Re-Konstruktionen der Innsbrucker Kinderbeobachtungsstation
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27:28 Min.
10 - Elisabeth Malleier (Wien) Die Sorge, meine Akte und ich

Die Verabreichung des Hormonpräparates Epiphysan (1952-1980) durch Maria Nowak-Vogl.
Ina Friedmann (Innsbruck)

Die Heilpädagogin und Kinderpsychiaterin Maria Nowak-Vogl leitete die Kinderbeobachtungsstation des A.ö. Landeskrankenhauses Innsbruck von 1954, dem Jahr der offiziellen Gründung, bis zu ihrer Pensionierung 1987. Die Kinderbeobachtungsstation war aus dem 1947 eingerichteten „Kinderzimmer“ an der Psychiatrischen Frauenstation der Psychiatrisch-Neurologischen Universitätsklinik hervorgegangen, wo Nowak-Vogl bereits 1952 begonnen hatte, minderjährigen PatientInnen das Hormonpräparat Epiphysan zur Bekämpfung von (vermeintlichem) sexuellen Fehlverhalten durch Injektionen zu verabreichen. Nowak-Vogl, die dieses Präparat durch beinahe 30 Jahre hindurch bei Kindern und Jugendlichen zwischen sechs und 16 Jahren anwendete, konnte zu Beginn ihrer Versuche auf keinerlei Erfahrungswerte hinsichtlich der Behandlung von Minderjährigen zurückgreifen. Dass bis 1957 nach ihrer eigenen Angabe bereits 32 PatientInnen von ihren Epiphysan-Versuchen betroffen waren, zeugt nicht allein von einer an der Kinderbeobachtungsstation durchgeführten Versuchsreihe, sondern zugleich von dem ausgeprägten Wunsch im damaligen Fürsorgesystem nach einem zuverlässigen Schutz vor kindlicher und jugendlicher Sexualität. Die Dimension des Eingriffs in die Körper der betroffenen PatientInnen war beträchtlich und geschah meist ohne Information der Minderjährigen oder deren (Pflege-)Eltern. Allein das Jugendamt wurde im Fall einer Vormundschaft einbezogen. Nowak-Vogls „Auswahlkriterien“ der PatientInnen, die ihrer Ansicht nach mit Epiphysan zu behandeln waren, können auf Basis von Krankenakten und Publikationen ebenso nachvollzogen werden, wie die konkreten Gründe, die zu dieser medikamentösen Bekämpfung unerwünschter Sexualität führten. Darüber hinaus nahmen bereits wenige Jahre nach Einführung der Hormonbehandlung an der Kinderbeobachtungsstation regionale Einrichtungen der Kinder- und Jugendfürsorge diese Praxis in ihr Maßnahmenrepertoire auf und forderten diese Medikation in der Folge eigeninitiativ für manche der unter ihrer Obhut stehenden Minderjährigen. In den bisher bekannten Fällen war Nowak-Vogl stets als „Expertin“ auf diesem Gebiet involviert.

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