FROzine – Der Kommentar der Woche: Lügen, Lügen, nichts als Lügen

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Im Kommentar der Woche geht es diesmal um die (nachweislich falschen) Berichte der Kronenzeitung zur Asyl-Zeltstadt in Linz und dem Lügengebilde von HC Strache, der dem Kurier wiederholt Manipulation in Bezug auf ein vom Kurier-Fotograf Jürg Christandl geschossenes Foto vorwirft. Das Foto zeigt ein Flüchtlingskind und zwei erwachsene Flüchtlinge bei der Ankunft im Asylquartier in der Erdberger Straße in Wien-Landstraße, während FPÖ-Anhänger „Nein zum Asylantenheim“-Schilder hochhalten. Strache behauptet felsenfest, das Foto sei gestellt. Nun wird er vom Kurier geklagt. Beim Teilen der großteils erfundenen Kronenzeitungs-Storys über die Linzer Asyl-Zeltstadt auf dem Polizeisportgelände ist er dagegen ganz fleißig. Eine Analyse im Kommentar der Woche von Frozine-Redakteur Michael Diesenreither, gesendet im Infomagazin FROzine am 17.6.2015.

 

Der Kommentar im Wortlaut:

Lügen, Lügen, nichts als Lügen

„Am 3. Juni hat Kurier-Fotograf Jürg Christandl auf Twitter ein Foto gepostet mit dem Text „FPÖ begrüßt geflüchtete Kinder in Erdberg“. Alleine auf Twitter wurde es 1270-mal geteilt. Das auch in der Tageszeitung Kurier abgedruckte Foto zeigt ein Flüchtlingskind und zwei erwachsene Flüchtlinge bei der Ankunft im Asylquartier in der Erdberger Straße im Wiener Bezirk Landstraße, während FPÖ-Funktionäre Schilder hochhalten, auf denen groß „Nein zum Asylantenheim“ steht. Das zufällig entstandene Foto zeigt recht eindeutig, wes Geistes Kind diese FPÖ-Anhänger sind. Die FPÖ Landstraße forderte ursprünglich ja auch, legal hier lebende Ausländer innerhalb von 6 Monaten auszuweisen. Die FPÖ-Landstraße hat zu ihrer Aktion und dem davon veröffentlichten Foto auf Facebook eine Stellungnahme abgegeben. Diese Leute hätten auf dem Weg zum Eingang des Asylzentrums, von der anderen Straßenseite kommend, zwei Zugangsmöglichkeiten gehabt: eine durch die Gegendemonstranten, die andere durch die FPÖ-Kundgebung. Da sie durch die FPÖ-Kundgebung gegangen sind, hätte diese für sie offenbar freundlicher gewirkt, als die Gegendemonstranten.

Das heißt, die FPÖ Landstraße bekennt sich weiter zu ihrer Aktion und zweifelt auch das entstandene Foto nicht an. Trotzdem hat FPÖ-Chef HC Strache am darauffolgenden Sonntag beim ORF-Talk „Im Zentrum“ behauptet, die dargestellte Situation auf dem Foto sei gestellt. Die Gegendemonstranten hätten es „organisiert, dass ein Kind mit einem Fotografen positioniert vorbeigeführt wurde. Und so kann man mit Bildern Kinder missbrauchen“, erklärte Strache. In der ZIB 2 hat er nochmals nachgelegt, ein Journalist hätte offensichtlich hier das Bild mit einem Kind oder einem Erwachsenen oder zwei Erwachsenen ganz bewusst eingefädelt. FPÖ Generalsekretär Kickl sprach in einer Presseaussendung, die orf.at zitiert hat, von einem inszenierten Foto. Fotograf Jürg Christandl hat diese Vorwürfe zurückgewiesen. Er habe vor dem Flüchtlingsheim das Foto ganz spontan geschossen. Aus der Situation heraus, als aktueller Fotoreporter. Andere Fotografen und SOS-Mitmensch-Sprecher Alexander Pollak, der ebenfalls vor Ort war, bestätigen dessen Aussagen. „Die FPÖ-Funktionäre haben sich genau dort hingestellt, wo der Zugangsweg zum Asylquartier ist. Von der ersten Sekunde an, sind immer wieder Asylsuchende vorbeigekommen, teilweise als verunsicherte Schaulustige, teilweise, weil sie auf dem Weg ins Asylquartier waren“, so SOS Mitmensch-Sprecher Alexander Pollak.

Falter Journalistin Nina Horaczek hat die Familie auf dem Foto im Erstaufnahmezentrum in Traiskirchen ausfindig gemacht. „Der Bub wollte natürlich wissen, warum diese Männer da stehen mit diesen Schildern und die Eltern haben ihn angelogen und gesagt, ‚auf den Schildern steht willkommen, wir freuen uns dass du da bist.‘ Sie haben gesagt, dass sie nicht wollten, dass sich der Bub fürchtet.“ Da flüchten also Menschen aus Kriegsgebieten, lassen alles zurück, sind vermutlich von den Ereignissen in der Heimat und von den Strapazen der Flucht traumatisiert. Und dennoch: wenn sie hier in Österreich sind, in vermeintlicher Sicherheit, dann müssen Eltern also ihre Kinder anlügen, damit diese sich nicht vor uns Österreichern fürchten. So weit ist es in diesem Land also schon gekommen.

Dem Kurier-Chefredakteur Helmut Brandstätter sind die wiederholten Falschbehauptungen Straches nun zu viel, der Kurier will die Aussagen Straches juristisch bekämpfen und Strache auf Kreditschädigung klagen. An sich eine gute Idee, um so den Falschmeldungen Straches und der Propaganda der FPÖ entgegen zu wirken, aber so ein Gerichtsverfahren kann sich halt auch wieder in die Länge ziehen. Der FPÖ-Anhängerschaft wird die Klage wiederum egal sein, die glauben ohnehin nur ihrem HC.

Strache versucht ja immer wieder, seine Rechtspopulistische, ausländer- und sonstige Minderheiten-hassende Truppe als gemäßigt darzustellen, gerade in Zeiten, wo auch die SPÖ die FPÖ als für sie passenden Koalitionspartner entdeckt hat. Da passt ihm das Foto natürlich gerade überhaupt nicht. Stattdessen macht er eine Opfer-Täter-Umkehr und wirft den Journalisten Manipulation vor und macht sich und seine FPÖ selbst zum Opfer. Ein gewohntes Rezept der FPÖ, schon seit vielen Jahren. Deckt ein Journalist bzw. eine Journalistin die menschenverachtende Politik der FPÖ auf, so werden diese ihrerseits als Lügner beschimpft, der Vorwurf der Lügenpresse steht im Raum.

Anfang Mai habe ich einen Vortrag mit dem Titel „Die kaputte politische Debatte“ von Profil-Journalistin Ingrid Brodnig auf der Re:publica in Berlin, einer Konferenz über Internet und Gesellschaft gesehen. Sie beschreibt darin u.a. ein Beispiel, wie sie vom Aufmarsch der rechtsextremen Pegida-Anhänger in Wien berichtet hat. Ebenfalls wieder der Fotograf Jürg Christandl hat dabei mehrere Pegida-Leute fotografiert, wie sie den Hitler-Gruß machen. Und obwohl es den Beweis in Form von Fotos gäbe, erzählt Brodnig, wie sie im Web aufs übelste beschimpft wurde, ihr Manipulation vorgeworfen wurde, sie als Teil der Lügenpresse bezeichnet wurde. Es wurden also nicht jene Menschen beschimpft, die den Hitlergruß gemacht haben, sondern jene Journalisten und Journalistinnen, die darüber berichtet haben. Als weiteres Beispiel nennt Brodnig die Antwort einer Pegida-Anhängerin in Dresden auf die Aussage eines Reporters, wonach in Dresden nur 0,2% Muslime leben würden. Nein, das sehe sie nicht so, war die Antwort. Also frei nach dem Motto: „Ich habe meine Meinung, verwirren Sie mich nicht mit Tatsachen“. Genauso wie Pegida macht‘s auch die FPÖ. Und der FPÖ-Chef Strache macht’s vor, wie’s geht. Werden mal wieder rechtsextreme, braune Rülpser aus der Partei vernommen, so werden jene diskreditiert, die darüber berichten.

Ganz anders ist das bei Berichten der Kronenzeitung. Hier gibt es eine enge Kooperation zwischen FPÖ und Krone, die FPÖ profitiert natürlich von den tendenziösen und einseitigen Berichten über Asylwerbende und zahlt sogar dafür, dass die Krone-Schlagzeilen weiterverbreitet werden. Aber alles der Reihe nach. Wie bekannt, leben seit mittlerweile einem Monat rund 250 Asylwerbende in einem Zeltlager auf dem Linzer Polizeisportgelände. Schon länger sind 40 Asylsuchende im dortigen Turnsaal untergebracht. Sie sind ständig in dem Zeltlager, egal ob es tagelangen Regen oder 35 Grad hat. Zum Teil besitzen sie nur einen einzigen Satz Kleidung.

Die Krone greift dieses Thema seitdem beinahe täglich auf. Im Artikel „Wegen Essen und Quartier: Wirbel im Asyl-Zeltlager“ ist die Rede von einem Aufstand mit 50 randalierenden Asylwerbern, die Lunchpakete auf den Boden und die Polizeibeamten warfen, weil ihnen das Essen nicht schmeckt oder zu wenig ist. Daher mussten acht Polizeifahrzeuge anrücken, um die Situation unter Kontrolle zu bringen. Im zweiten Artikel zur selben Geschichte tags darauf titelt die Krone „Flüchtlinge bewarfen die Polizei mit Essen“. Hier wird also der Aspekt des angeblichen Essen-Werfens noch mehr hervorgehoben, ansonsten bietet der Artikel inhaltlich das gleiche. Auch in anderen Artikeln zum Thema Asyl-Zeltlager in Linz bezieht sich die Krone immer wieder auf den erstgenannten Artikel. Der Artikel „Flüchtlinge bewarfen die Polizei mit Essen“ ist auf krone.at/oberoesterreich nach wie vor der meistgelesene Artikel, obwohl dieser schon vom 2. Juni stammt. Die Krone versucht mit diesen Storys, Asylwerbende in ihrer Gesamtheit unbeliebt zu machen, stellt diese als dreist und undankbar dar und wiederholt immer wieder die Behauptung, die Asylwerbenden würden mit ihrem kostenlos erhaltenen Essen um sich werfen. HC Strache hat diesen Artikel mehrmals auf seiner Facebook-Page geteilt und auch in meiner Facebook-Wall ist der Artikel mit den Essen-werfenden Asylwerbern aufgetaucht. Und zwar von der FPÖ Linz gepostet. Allerdings nicht, weil ich Fan der Facebook-Seite der FPÖ Linz bin, sondern weil die FPÖ Linz Facebook dafür bezahlt hat, dass dieser Krone-Artikel bei mir erscheint. Es war ein gesponsertes Posting. Das heißt also, die FPÖ bezahlt Facebook dafür, dass hetzerische Krone-Artikel in den Facebook-Walls der User auftauchen, ob sie nun wollen oder nicht.

Das Problem an diesen eben genannten Krone-Artikeln ist aber, dass sie frei erfunden sind. Es war ein einzelner Asylwerber, der sozusagen durchgedreht hat, er drohte damit, sich mit dem Buttermesser selbst zu töten. Er beschwerte sich u.a. auch über die geringe Menge an Essen, zwei Semmeln und ein Stück Obst als Abendessen seien zu wenig. Drei bis vier andere Asylwerber hätten dem Mann in seiner Kritik Recht gegeben und ihre Lunchpakete in Rage zu Boden geworfen. Der Rest der 50 Menschen habe versucht zu beruhigen oder zugesehen. Der Asylwerber, der damit drohte, sich umzubringen, wurde in die Landesnervenklinik überstellt. Es gab also keinen Aufstand mit 50 randalierenden Asylwerbern, wie die Krone geschrieben hat, keine 50 Asylwerber, die ihr Essen auf den Boden geworfen haben, keine 50 Asylwerber, die die Polizei mit Essen bewarfen. Denn es gibt niemanden, der die Darstellung der Krone bestätigt. Auch nicht die Polizei selbst. Im lesenswerten Online-Artikel „Facebook-Mythen und Asylrealität“ auf orf.at wird diese Falschmeldung der Krone im Detail auseinandergenommen.

Das Problem ist aber: Der Schaden ist längst angerichtet. Die Krone hat ihre Falschmeldung oft genug lanciert, die FPÖ hat es oft genug geteilt. Dass das alles gar nicht stimmt, werden jene Menschen, die sich in ihrer Meinung über Asylwerbende bestätigt sehen, wohl gar nie erfahren.

6259 Asylwerbende sind nach derzeitigem Stand in OÖ untergebracht. Bei 1,437 Millionen Einwohnern sind das lediglich 0,43 Prozent der oberösterreichischen Bevölkerung. Mal ehrlich, da ist ja mein Zinssatz für Spareinlagen auf der Bank höher, und das will schon was heißen. Und trotzdem lesen wir immer wieder von einem Flüchtlingsstrom in der Zeitung, von einer Asylwerberflut, die nicht zu bewältigen ist. Trotz vieler leerstehender Gebäude in Linz werden Zeltlager errichtet, was wiederum suggeriert, dass es schon so viele Flüchtlinge sind, dass man nicht mehr weiß, wohin mit ihnen. Und einer von diesen 6259 Asylwerbern hat mit Selbstmord gedroht, und vier haben ihr Lunchpaket auf den Boden geworfen. Wer ist denn hier nun tatsächlich die Lügenpresse?

Als Journalist in den freien Medien frage ich mich, was man diesem FPÖ-Krone-Lügengebilde eigentlich entgegensetzen kann. Es frustriert mich manchmal, da es aussichtslos erscheint, ein aussichtsloser Kampf ob der Reichweite, die die Kronenzeitung erzielt, und der Macht, die sie dadurch hat. Und die FPÖ weiß die sozialen Medien geschickt für sich zu nutzen und pulvert genug Geld in die Verbreitung der Hetz-Artikel. Denn ein Einzeiler mit der einfachen Botschaft wie „Asylwerber sind böse, denn sie werfen mit Essen um sich und sind ein undankbares Pack!“ verbreiten sich als Headline in den sozialen Netzwerken eben besser als ein Kommentar wie dieser hier, der auf 3 DIN-A4-Seiten versucht, diesem Lügengebilde Einhalt zu gebieten.“

 


Links und Quellen:

http://orf.at/stories/2283553/2283554/

http://kurier.at/politik/inland/protest-vor-fluechtlingsheim-in-erdberg-das-foto-zeigt-die-traurige-wahrheit/134.931.413

http://wien.orf.at/news/stories/2715317/

http://www.krone.at/Oberoesterreich/Fluechtlinge_bewarfen_die_Polizei_mit_Essen-Aufstand_in_Linz-Story-456016

http://www.krone.at/Oberoesterreich/Wegen_Essen_und_Quartier_Wirbel_im_Asyl-Zeltlager-Syrer_drohte-Story-455797

 

 

 

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