akin-Glosse: Mauthausen 2015 – und schon wieder höre ich die stiefel…

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Rosalia Krenn über ihre Empfindungen bei ehrlichen Betroffenheiten und staatsantifaschistischen Inszenierungen in Mauthausen anläßlich des 70.Jahrestags der Befreiung des KZs.

Manuskript:

Am 10. Mai fand in der Gedenkstätte des ehemaligen KZ Mauthausen die Feier zum 70. Jahrestag der Befreiung des Lagers statt. Heuer haben sich – mehr als sonst – über 22.000 Menschen aus allen möglichen Ländern der Erde eingefunden, rund 50 überlebende Opfer waren anwesend. Ich denke, nicht nur, weil es ein rundes Jahr ist, sondern vor allem, weil eine 80ig jährige Befreiungsfeier fast ausschließlich ohne ZeitzeugInnen, ohne betroffene befreite Menschen und ohne WiderstandskämpferInnen stattfinden wird. Gar so viele Gelegenheiten wird es nicht mehr geben, den Überlebenden des Holocaust Respekt zu erweisen, gar so viele Gelegenheiten wird es nicht mehr geben, den Überlebenden des mörderischen Nazi-Regimes vermitteln zu können, dass es eine nachfolgende Generation gibt, die hellhörig sein möchte und ist, die durch aktive antifaschistische Haltung sowie antifaschistisches Handeln verhindern will, dass rechtsgerichtetes Gedankengut widerspruchslos wieder gesellschaftsfähig wird.
Man trifft in Mauthausen auf die Tränen der Überlebenden und ihrer Angehörigen, man kann nachvollziehen, dass es für die Opfer und ihre Familien von Bedeutung ist, dass die RepräsentantInnen des Staates ihnen durch ihre Anwesenheit signalisieren, Terror dieses Ausmaßes nie wieder zulassen zu wollen. Auf irgendetwas will jeder Mensch hoffen. …
An diesem Tag, an diesem Ort, hat Kritik am Wesen des Staates nichts zu suchen, bleibt ungehört; dass das Wesen des Staates, Militarismus und Faschismus ineinandergreifen, weicht der Sehnsucht der Menschen nach einer Schutzmacht, um in aller Zukunft vor Verfolgung und Vernichtung geschützt zu sein. Lautes Denken ist dort nicht erwünscht, werden doch die Vertreter der US-Army, ganz in Uniform versteht sich, als Befreier willkommen geheißen. Aus Sicht der Opfer ist das mehr als verständlich und eine Pace-Fahne ist hier wirklich nicht passend. Die Delegationen aus den verschiedenen Ländern kommen mit höchsten StaatswürdenträgerInnen und vermischen sich mit den Opfer- und Partisanenverbänden, sowie vergleichsweise jungen linken politischen Gruppierungen.
Im Vordergrund steht der Repekt vor den WiderstandskämpferInnen, vor den Opfern, gepaart mit dem Versprechen, so etwas nie wieder zulassen zu wollen. Irgendwie bleibt die Vernichtungsmaschinerie der Nazis dennoch unbegreiflich. Da helfen alle klugen Faschismustheorien nicht, das Wissen um Entstehen von Gewaltstrukturen, die Analyse derselben trifft auch nicht. Das Gehirn weiß, wozu der Mensch fähig ist, aber das Gefühl lässt einen trotzdem den Kopf schütteln und spüren: Das gibt’s doch nicht.
Wir leben in einer Zeit, in der ein neuer Faschismus erwächst, in einer Zeit in der die Länder der Europäischen Union Flüchtlinge hilflos ertrinken lassen und die wenigen, die den EU-Raum lebend erreichen, einsperren und mit Bürokratie schikanieren. Vielleicht hoffen viele oder einige, wenn sie sehen, wenigstens zum Anlaß des Gedenkens an die Naziverbrechen müssen auch ein Herr Bundeskanzler und Co den Kopf gesenkt und die Klappe halten, dass sich Grausamkeit nicht wiederholen darf. Sie tut es aber, mit einem anderen Gesicht. Die Verbrechen des Nazi-Regimes möchte ich bitte nicht aufrechnen und vergleichen mit anderen Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Bitte mich nicht falsch zu verstehen.
Mir ist die Gedenkfeier in Mauthausen ein Anliegen, weil ich den Opfern, den Überlebenden, den Trauernden meine Solidarität bekunden möchte und den WiderstandskämpferInnen meine Bewunderung entgegenbringen möchte. Ich weiß nicht, ob ich in der Situation mutig oder feige gewesen wäre, aber ich vermute, ich hätte zu den feigen Menschen gehört. Ich weiß nicht, ob ich Menschen auf der Flucht geholfen hätte, sie versteckt hätte, ich glaube aber, ich wäre schon zu feige gewesen. Umso mehr bestaune ich immer wieder die Partisanenverbände, die stolz und aufrecht den Appellplatz betreten, um den nachgeborenen Generationen zu verdeutlichen, mit welchem Leben ausgestattet es heißen kann, gegen Unterdrückung und gegen Vernichtung für die Freiheit zu kämpfen. Mit dem größten und sehr stürmischen Applaus wurde heuer die Delegation aus Griechenland begrüßt. Da war der Geist des Widerstands spürbar lebendig.
Für mich war es unerfreulich genug, dass der staatsverordnete Antifaschismus mit den Gesichtern der RegierungsvertreterInnen Platz beanspruchte. Schlimmer war es aber, dass das österreichische Bundesheer (wie jedes Jahr) es wagte, hier aufzumarschieren. Laut und im Gleichschritt „Marsch“ beanspruchte das Bundesheer Präsenz. Das ist der gruseligste Moment der Befreiungsfeierlichkeiten. Wir reden hier schon davon, dass wir es vereinfacht gesagt mit einem neuformierten Überbleibsel der deutschen Wehrmacht zu tun haben. Das Podium des Mauthausen-Kommitees goutiere und begrüßte die Formation der Armee. Sinngemäß wurde formuliert, dass man sich beim Bundesheer für die Unterstützung bedankt und sie sich nächstes Mal wieder wünscht, sinngemäß wurde gesagt, dass man sich trotz Umstruktuierung des Heeres die Erhaltung der Militärmusik wünscht und ihren Beitrag an der Gedenkfeier sehr schätzt.
Mit Sicherheit ist diese Veranstaltung nicht der richtige Ort, die Probleme der Militärmusik prominent zur Sprache zu bringen und das Mauthausen-Komitee ist keine Lobby-Organisation des österreichischen Bundesheeres. Wenn sich das Mauthausen-Kommitee von der Bühne herab die weitere Existenz der Armee wünscht, sich für die Teilnahme des Heeres bedankt und die Militärmusik gleich für nächstes Jahr wieder einlädt, kommt dies einer Aufforderung an die Politik gleich, diese sicherzustellen. Das ist unangebracht, denn antifaschistisches Gedankengut und die Befürwortung von Militarismus sind ein Widerspruch in sich und letztlich ein Schlag ins Gesicht all jener, die Opfer von Faschismus und Militarismus geworden sind.
rosalia krenn arge wehrdienstverweigerung & gewaltfreiheit

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