ECM – Klar, Kühl und Kühn

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30. Sendung (Erstausstrahlung: Juni 2011)

ECM – Klar, Kühl und Kühn

Gastgeber und Moderator Helmut Weihsmann wirft in dieser Sendung einen unsentimentalen Blick zurück auf die Geschichte und die einher gehende Erfolgsstory des exklusiven süddeutschen Plattenlabels, das unlängst in aller Bescheidenheit seinen 40-sten Geburtstag feierte. Die Edelmarke aus München genießt Weltruf wegen ihrer sorgfältigen Produktgestaltung und ihres für manche gar zu schönem, gelacktem und künstlichem Studio-Sound. The most beautiful sound next to silence könnte man als Motto der Münchner Edition of Contemporary Music, so ECMs Taufname, bezeichnen. Bei der Vielzahl der Produkte auf mehreren Nebenlinien der Firma fällt insgesamt eine merkwürdige Strenge, Kargheit, ja beinahe Sprödigkeit immer wieder auf. In der Auswahl der Musiker, im Klangbild und in der gesamten Aufmachung ihrer Produkte zeigt sich etwas Asketisches, Schöngeistiges und Esoterisches. Der ehemalige Kontrabassist, Studiotechniker und Musikproduzent Manfred Eicher gründete mit dem befreundeten Plattensammler Manfred Scheffner die Münchner Firma im Herbst 1969 mit einem bescheidenen Startkapital von nur 16.000.- DM in einem Dachzimmer des Plattenvertriebs Jazz by Post im Haus eines großen Elektro- und Stereogeschäftes von Karl Egger im Münchner Vorort Pasing nahe dem örtlichen Betriebsbahnhof, weil sich die beiden über das niedrige Niveau der damaligen Aufnahmetechnik und Arroganz der großen Konzerne maßlos geärgert hatten. Das unabhängige Kleinlabel ECM entstand auch zu einer Zeit, als die Weltkonzerne dem wahren Jazz im Schatten der Pop- und Rockmusik nur eine randständige, geduldete Existenz bescheinigten. Der an der Berliner Musikhochschule klassisch ausgebildete Kontrabassist  Manfred Eicher sammelte Erfahrungen bei der Deutschen Grammophon und verdingte sich als Produktionsassistent in lokalen Studios, bevor er für ECM die erste Platte aufnahm: Free at Last (1969) mit Mal Waldron. Das kleine aber feine Plattenlabel mauserte sich in kürzester Zeit von einem Außenseiter zu einem Weltkonzern, der Mitte der 1980er Jahre die fruchtbare Seitenlinie New Series für zeitgenössische Kunstmusik, Alte Musik und sogar ambitionierte Film- und Programmmusik einführte. Die Platten von ECM wurden bald für ihre herausragende Qualität und ihren Wagemut gepriesen. Ihr spezifischer, glasklarer und verhallter Studio-Sound, der wie eine Art Gegengewicht zu anderen Tendenzen der Zeit, insbesondere dem lauten Jazzrock- und Fusion, wirkte, mit einer Betonung der nuancenreichen Töne und Farben der kammermusikalischen und freiimprovisierten Musik war für damalige Verhältnisse ein Novum auf dem Markt. Die genialen Aufnahmeleiter Carlos Albrecht oder Martin Wieland vom Tonstudio Bauer in Ludwigsburg oder Jan Erik Kongshaug vom Rainbow Studio in Oslo trugen indirekt zum unverwechselbaren Klang der Aufnahmen bei. In dieser Sendung wird über den Erfolg, den spezifischen „hauseigenen” Sound und die besondere Aura der Produkte aus dem Hause ECM reflektiert. Es ist auch nicht ehrenrührig, Manfred Eicher als einen Besessenen zu bezeichnen, denn er ist und bleibt ein Charakterkopf und Liebhaber der dunklen, leisen Töne und Farben,­ perfektionistisch, verhangen, kompromisslos, stets sich selber treu. Ein schwieriger, scheuer, vermutlich einsamer und verbissener Musiker, Produzent und Manager, aber stets ein Meister seines Faches. Man mag über den elitären und New Age-lastigen Geschmack von Manfred Eicher streiten, ob er nun ein Genie oder Diktator ist, sei aber dahin gestellt. Aber an seiner aufrichtigen Suche nach einer starken, subtilen, buchstäblich selbstbewußten Musik kann nicht gezweifelt werden. Die Vorliebe von ECM galt dem introvertierten Klavierspiel von Mal Waldron, Keith Jarrett, Chick Corea, Paul Bley, Steve Kuhn und Bobo Stenson sowie einer jungen Generation von Musikern aus dem hohen Norden, besonders dem talentierten Junggenie Jan Garbarek oder seinen Landsmännern Jon Balke und Terje Rypdal aus Oslo; neuerdings auch einigen aufstrebenden Komponisten und jungen Talenten aus Europa und Amerika.

Musikbeispiele:

Mal Waldron Trio: Rock My Soul (Mal Waldron), rec. 1969
Paul Bley Trio: Big Foot (Paul Bley), rec. 1968
Jan Garbarek: Hasta Siempre (Carlos Puebla), rec. 1973
Alfred Harth & Paul Bley: Body & Mentation (Alfred Harth), rec. 1983
David Holland & Anthony Braxton: See-Saw (David Holland), rec. 1972
Charles Lloyd: Sister (Charles Lloyd), rec. 1991
Enrico Rava: Outsider (Enrico Rava), rec. 2008

Gestaltung & Am Mikrofon: Helmut Weihsmann
Tontechnik & Produktion: Gernot Friedbacher

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